Das Wochenende zum Tag der deutschen Einheit …
sollte dieses Jahr in Dresden ganz groß gefeiert werden. Wie immer, wenn solche großen Feiern angekündigt werden, überlege ich mir rechtzeitig, wie ich dem zu erwartenden Menschenstrom ausweichen kann. Da es ein verlängertes Wochenende war, kam mir die Idee, eine Motorradausfahrt von unserem Stammtisch in den Harz zu organisieren. Und das habe ich dann getan. Mit mir waren Christiane, Marion, Esther und Kerstin unterwegs und im Harz stießen dann Nicole und Gabi vom Stammtisch Köln zu uns. Am Sonnabendmorgen um 9Uhr trafen wir uns, wie schon häufiger, am Polo in Dresden-Gompitz und nach einem heißen Kaffee, von der netten Verkäuferin bei Polo angeboten, fuhren wir dann los. Dieses Mal hatte ich die Streckenführung übernommen und wollte es mit Karte versuchen, obwohl mir schon vorher klar war, dass es nicht ganz einfach wird. Aber dazu später noch mehr. Unsere Route sollte von Dresden über Meißen – Oschatz – Eilenburg – Delitzsch – Pouch – Köthen – Bernburg – Aschersleben – Ballenstedt – Friedrichsbrunn – Rappode-Talsperre – Torfhaus – Clausthal-Zellerfeld nach Bad Grund im Westharz in mehreren Etappen führen. Insgesamt ist die Strecke 340km lang und wenn Frau sich nicht zu lange aufhält, kann sie die Strecke bis zum Dunkelwerden in 8 Stunden auch mit Pausen schaffen. Nicht bedacht hatten wir den Faktor Wetter, der bei schlechten Bedingungen ganz erheblich Einfluss auf den Streckenverlauf nehmen kann. Die ersten zwei Stunden lief alles noch bestens, dann begann der Himmel so langsam seine Schleusen zu öffnen. Im strömenden Regen erreichten wir bei Kilometer 130 unser erstes Zwischenziel, ein wirklich creativ gestaltetes Künstlercafè in Pouch am Muldestausee. Nach einer Tasse Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen starteten wir auf die zweite Etappe, denn zwischenzeitlich hatte der Regen aufgehört und wir wieder neuen Elan. Nun folgten mehrere Umleitungen und auch wieder Regen, bis wir bei Kilometer 250 unser zweites Etappenziel, ein kleines Cafe in Friedrichsbrunn erreichten. Hier pausierten wir wieder ein Weilchen und weil der Regen nun einfach nicht nachließ und wir vor dem Dunkelwerden in unserer Unterkunft sein wollten, beschlossen wir, die beiden noch ausstehenden Etappenziele Rappode-Talsperre und Torfhaus in unserer morgiges Tourenprogramm mit aufzunehmen und nun schnurstracks auf der B242 die letzten 80km durchzufahren. Das war ein regelrechter Höllenritt und glücklich kamen wir kurz nach 18 Uhr völlig durchnässt und durchgefroren im Bikerhotel Harmonie in Bad Grund an. Nicole und Gabi waren schon am Vortag angereist und warteten nun bereits ungeduldig auf uns und begrüßten uns herzlich. Zu 19:30 Uhr war unser Tisch in der Pizzeria im Ort bestellt und so konnten wir vorher sogar noch schön heiß duschen. Der Abend verging dann recht schnell in angeregtem Geplauder bei Bier und Wein.
Am heutigen Sonntagmorgen machten wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück startklar auf eine Tour quer durch den Harz. Für heute hatte Kerstin eine Tour auf der Karte vorbereitet und führte unsere siebenköpfige Gruppe. Das Wetter sollte ganz passabel werden, größtenteils trocken, nur wenige Schauer. Als wir gegen halb 11 Uhr losfuhren, waren die Straßen noch nass. Leider wurde das Marion zum Verhängnis. Als wir erst wenige Kilometer gefahren waren, passierte es. Als sie sich schwungvoll in die Kurve legte, rutschte plötzlich das Hinterrad weg und ihre Yamaha schlitterte auf die linke Fahrbahnseite in den Kiesstreifen. Wir anderen stoppten sofort, stellten unsere Maschinen am rechten Fahrbahnrand ab und liefen zurück, um zu helfen. Gabi lief hinter die Kurve, um dem nachfolgenden Verkehr die Gefahrensituation zu signalisieren. Glücklicherweise war gerade kein Gegenverkehr unterwegs und Marion ist außer einer Schulterprellung nichts weiter passiert. Wir hievten die Yamaha gemeinsam hoch und sahen die Bescherung. Bremshebel und rechte Fußraste waren so verbogen, dass an eine Weiterfahrt nicht zu denken war. Glücklicherweise hatten wir in einer Bikerpension gebucht, in der Peter als Gastwirt auch gleichzeitig eingefleischter Schrauber ist und in seiner Garage eine Motorradwerkstatt eingerichtet hat. Wir telefonierten mit ihm und schnell war klar, dass er die Yamaha mit dem Trailer abholen würde. Nachdem wir also die Maschine im Trailer verstaut und Marion in seine Obhut gegeben hatten, konnte unsere Tour weitergehen. Den Verlauf seht ihr ganz unten im Bild. Die Okertalsperre, der Motorradtreff Torfhaus mit Blick auf den Brocken, die Rappbode-Talsperre, das romatische Bodetal, der kleine Kyffhäuser und Pullmann-City lagen auf unserer Route bei schönstem Sonnenschein. Um 17 Uhr machten wir uns von hier auf dem Heimweg nach Bad Grund ins Bikerhotel Harmonie, wer allerdings denkt, wir würden den direkten Weg über die B242 nehmen, hätte sich gründlich getäuscht. Weiter südlich über kleine kurvige Straßen zogen wir unsere Bahnen und letztendlich fing es dann vor dem Dunkelwerden noch zu regnen an, so dass wir erst im Stockfinsteren gegen halb acht völlig durchgefroren wieder im Hotel waren. Duschen mussten wir erstmal vertagen, denn das Essen stand praktisch schon bereit. Also setzten wir uns so, wie wir aus der Garage kamen, wo wir unsere Maschinen abgestellt hatten, an den Tisch und langten bei Gulasch und Rotkraut kräftig zu. Es wurde dann noch ein recht gemütlicher Abend, eine große Gruppe Motorradfahrer eines Bikerclubs aus Norddeutschland machte ihre Saisonabschlussfahrt und dabei auch ziemlich viel Getöse.
Montagmorgen zeigte sich das Wetter wieder von seiner stiefmütterlichen Seite. Es regnete ohne Unterlass, aber es half alles nichts, nach dem Frühstück mussten wir packen und losfahren. Auch Marion war auf der Rücktour wieder dabei, Peter hatte gestern in Windeseile ihren defekten Bremshebel und die rechte Fußraste repariert, ihre geprellte Schulter tat zwar noch weh, sollte aber kein echtes Hindernis für die Heimreise sein. Die Rücktour sollte uns auf den Kyffhäuser führen, aber zu unserem großen Bedauern war schon unten im Ort die B85 gesperrt und die Umleitung führte weit um den Kyffhäuser herum nach Bad Frankenhausen. Also für dieses Mal hatten wir hier Pech gehabt. Weiter ging‘s dann nach Freyburg an der Unstrut, hier rasteten wir zu Mittag, um danach die verbleibenden 170km über Weissenfels, Borna, Colditz, Nossen und Wilsdruff in einem Ritt durchzufahren. Endlich, nach 19 Uhr kamen wir in Dresden an und auf unserem Tacho standen wieder mehr als 360 km. Zum Schluss war ich Christiane sehr dankbar, dass sie uns mit ihren Navi schnurstracks Richtung Heimat geführt hatte, als in Regen und Dunkelheit auf der Karte nichts mehr zu erkennen war. Wir waren alle glücklich, dass der Heimweg trotz aller widrigen Umstände ohne Zwischenfälle verlief und ganz schnell verabschiedeten wir uns voneinander, weil jede in ihre Badewanne zu Hause wollte.
Zu guter Letzt hier noch mal meine Gedanken zum Thema Führen mit Navi oder mit Karte. Im Vorfeld dieser Tour hatte ich mir dazu intensiv Gedanken gemacht und will mal die Ausgangssituation und die Folgen schildern.
- Das Navi. Ich besitze kein Navi, welches ich am Motorrad anbringen kann, dafür habe ich eine App auf meinem Smartphone, von der ich mich „führen lassen“ kann. Allerdings gelingt mir das „Führen lassen“ nur durch das Hören der Ansagen vom Navi, da ich normalerweise mit Kontaktlinsen für die Ferne fahre oder mit Fernbrille. Mit beiden Varianten kann ich die Anzeige im Navi nicht sehen, da sie für meine Leseschwäche zu klein ist.
- Die Karte. Ich habe mir einen Kartensatz gekauft, von Louis, der hat einen Maßstab 1:300 000. Die Route habe ich markiert mit aufgeklebten Foliestreifen, in der Hoffnung, sie während der Fahrt schnell ausfindig machen zu können. Die gefaltete Karte steckt in einer Plastikkartentasche auf dem Tankrucksack.
- Die Route. Mit der Anwendung motoplaner.de habe ich die Route, welche wir fahren wollten, vorbereitet, die Zwischenziele an den Stellen gesetzt, an denen ich einen Imbiss oder Tankstopp geplant hatte. Ich habe mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h gerechnet, bei einer Gesamtlänge von 340 km und Start um 9:30Uhr macht das eine reine Fahrtdauer von 6 Stunden und möglichen 2,5h Pause, wenn wir zum Zeitpunkt 18 Uhr am Ziel sein wollten.
Was ist letztendlich passiert?
- Die Führung durch die Sprachansage vom Navi funktionierte bis zur ersten Umleitung. Danach wollte mich das Navi immer zurückführen, obwohl der nächste Zielpunkt nicht mehr auf unserer Route lag. Erst, nachdem ich diesen Zielpunkt im Navi gelöscht habe, hat es wieder richtig angesagt. Bei dieser Variante benötigt man eine penible Vorbereitung und eine ungefähre Kenntnis der Lage der Orte, die durchfahren werden sollen, sonst kann man schon mal ganz woanders landen. Außerdem ist es total nervig, ständig „Bitte wenden“ zu hören. Aber, wenn man die Route richtig plant und an den Kreuzungen langsamer fährt, damit das Navi mit seiner Ansagegeschwindigkeit hinterherkommt, kann es klappen.
- Während der Fahrt kann ich nicht auf die Karte schauen, also jedes Mal, wenn ich durch eine Umleitung nicht mehr wusste, wo es langgehen sollte, musste ich anhalten und die Brille hochheben, um darunter durchschauen zu können. Das klappt natürlich wunderbar im strömenden Regen, wenn die Anderen hinter Dir warten müssen, wie ihr euch vorstellen könnt. Außerdem ist der Kartenmaßstab mit 1:300 000 km viel zu groß. Die kleinen Straßen, die man als Motorradfahrer eigentlich bevorzugt, sind bei diesem Maßstab nicht mit auf den Karten verzeichnet. Also meiner Meinung nach ist diese Variante, wenn man sie als Einzige nutzt, nicht praktikabel. Bei dieser Variante muss man größere Straßen fahren, während man sich an den Ausschilderungen orientieren kann. Kommt für mich zukünftig nur bedingt wieder in Frage.
- Ich finde, am besten geeignet ist das Fahren mit dem Navi ohne vorgegebene Zwischenpunkte bzw. wenn man das Teilziel immer zeitnah eingibt. Eins nach dem Anderen. Dann kann man die kleinen Straßen allerdings nur durch die Einstellung am Navi mit der Auswahl der Art der Route anwählen z.B. schöne Route, aber man kann entspannt fahren und sich führen lassen, ohne ständig anzuhalten und die Karten zu wälzen. Und besonders schöne Routen hat man ja für eine Tagestour bereits im Vorfeld herausgesucht und kann sich den Ort in der Nähe als Zielpunkt festlegen.
Mein Fazit ist: wenn man Karten wegen einer Leseschwäche nicht mehr richtig lesen kann, eher das Navi benutzen und sich vom Navi so führen lassen, dass man den Ansagen vertraut und entspannt sein Ziel erreicht, auch wenn man dann nicht unbedingt die schönste oder kurvigste Straße gefahren ist. Bei einer Anfahrt zu einer Übernachtung oder bei einer Heimfahrt ist das wahrscheinlich auch nicht das erste Ziel, sondern eher der direkte Weg nach Hause, wenn denn die Zeit knapp ist oder die Strecke lang.
Heike, im Oktober 2016